Laufgruppen

Die Geheimwaffe, die viele Läufer immer noch unterschätzen
Mario Garcia

Mario Garcia

Autor
Lauftrainer

Mario García Cárdenas ist ein in Málaga ansässiger Coach mit einem Abschluss in Sport- und Bewegungswissenschaften von der Universität Granada sowie einem Master in Sportforschung.

Jahrelang haben wir Laufen als etwas völlig Individuelles gesehen: deine Schuhe, deine Uhr, deine Musik und immer dieselbe Strecke. Aber es gibt eine Ressource, die deine Ergebnisse vervielfachen kann, dir eine brutal gute Motivation gibt und nebenbei auch dein Leben außerhalb des Sports bereichert: Kontakte knüpfen und in Laufgruppen trainieren.

Es geht nicht nur darum, „mal mit Freunden laufen zu gehen“. Es geht darum, Teil einer Community zu sein, die Ziele, Fragen, Fehler und kleine Erfolge Woche für Woche teilt. Richtig genutzt kann eine Laufgruppe für deinen Fortschritt genauso entscheidend sein wie jeder Trainingsplan.

Warum Laufgruppen so gut funktionieren

1. Motivation, die nicht nur von deiner Willenskraft abhängt

Wenn du allein läufst, hängt alles an dir: Wenn es regnet, kalt ist oder du einen miesen Tag im Job hattest, findet sich immer ein guter Grund, die Einheit zu skippen. Trainierst du dagegen in der Gruppe, weißt du: Da warten Leute zu einer festen Uhrzeit. Und du spürst, dass du nicht nur dich selbst hängen lässt, wenn du nicht auftauchst, sondern auch das Team.

Zu sehen, wie andere Menschen mit genauso vollem Alltag wie du trotzdem kommen – selbst wenn sie müde sind – hat einen enormen Mitzieheffekt. Du bist nicht plötzlich „disziplinierter“: Du hast dir ein Umfeld gebaut, das es dir leichter macht, dranzubleiben.

2. Du wirst schneller, ohne dich am Laufuhr-Display festzubeißen

In Laufgruppen sind meist Läuferinnen und Läufer auf allen Levels dabei, mit Intervallen nach Tempo eingeteilt – und oft auch Leute, die minimal schneller sind als du. Genau das brauchst du, um besser zu werden.

Mit etwas stärkeren Leuten zu laufen zieht dich nach oben, ohne dass du alle fünf Sekunden auf die Uhr schauen musst. Du gewöhnst dich daran, Tempi zu halten, die du allein vielleicht gar nicht anpacken würdest – und merkst: Da geht mehr, als du dachtest. Und zwar in einem kontrollierten Rahmen.

Laufgruppen

3. Du lernst schneller (Technik, Strategie und Material)

In einer guten Laufgruppe gibt es immer jemanden, der das, was du gerade erlebst, schon hinter sich hat: die ersten Wettkämpfe, Respekt vor langen Läufen, Schuh-Fragen oder Trainingszweifel.

Dinge, die du in der Gruppe deutlich schneller lernst:

  • Wie du ein Rennen richtig einteilst, ohne viel zu schnell loszuschießen.
  • Wie du deine Körpersignale einordnest: Was ist normaler Müdigkeits-„Lärm“ – und wann solltest du besser rausnehmen?
  • Welche Schuhe und welches Equipment besser zu deinem Laufstil und deinen Zielen passen.
  • Praktische Tricks: Was du vor einem Wettkampf frühstückst, wie du dich je nach Distanz aufwärmst, wie du dich bei Kälte oder Hitze sinnvoll anziehst.

Statt jahrelang über Trial-and-Error zu gehen, nutzt du die Erfahrung der anderen – und verkürzt den Weg enorm.

4. Emotionaler Rückenwind, wenn es mal nicht läuft

Laufen heißt nicht nur hübsche Pace-Screenshots auf Strava. Es gibt auch Verletzungen, schlechte Tage, Rennen, die komplett schiefgehen, Pausen wegen Job, Familie oder Stress. Wenn du in der Gruppe trainierst, wiegt all das weniger.

5. Mehr Sicherheit und mehr Spaß bei jedem Training

Gemeinsam zu trainieren bringt außerdem sehr handfeste Vorteile: mehr Sicherheit bei Abendläufen oder in wenig belebten Gegenden, weniger Angst, „liegenzubleiben“, wenn du dich nicht gut fühlst, und einfach das beruhigende Gefühl, dass jemand da ist, wenn etwas nicht passt.

Und lange Läufe werden viel leichter, wenn man dabei reden kann. Laufen wird nachhaltiger, wenn du nicht nur Kilometer sammelst, sondern auch eine gute Zeit hast. Die Gruppe macht aus der Trainingseinheit einen sozialen Treffpunkt – einen Moment zum Abschalten, zum Austausch, zum gemeinsamen Hobby.

Laufgruppen

Arten von Laufgruppen – und was dir jede davon bringt

Nicht alle Laufgruppen sind gleich – und das ist eine gute Nachricht: Du kannst die wählen, die zu deiner Situation und deinen Zielen passt. Du kannst sogar mehrere kombinieren.

1. „Sozialer“ Lauf-Treff für lockere Dauerläufe

Bequeme Tempi, viel mehr Fokus auf Plaudern und Kilometer sammeln als auf die Uhr. Perfekt für Einsteiger, für den Wiedereinstieg nach einer Pause oder für Entlastungstage.

Was es dir bringt:

  • Aerobe Basis ohne Druck.
  • Dranbleiben fällt leichter: Du gehst hin, weil du weißt, dass du nicht „sterben“ wirst.
  • Ein ideales Umfeld, um reinzukommen, wenn du gerade anfängst.

2. Intervallgruppe und Qualitätseinheiten

Gemeinsames Einlaufen, dann Intervalle nach Tempo, danach Auslaufen – und zwischendurch Feedback zu den Belastungen. Hier passiert der harte Teil des Trainings.

Was es dir bringt:

  • Klare Struktur: Du weißt, was jede Woche ansteht.
  • Qualität sinnvoll eingebaut in deine Planung.
  • Das Extra an Leistung, das entsteht, wenn man sich gemeinsam durchbeißt.

3. Gruppe für lange Läufe

Ideal, wenn du für 10 km, Halbmarathon oder Marathon trainierst. Gleichmäßige Tempi, meist ruhiger als bei Intervallen, und längere, abwechslungsreichere Strecken.

Was es dir bringt:

  • Besseres Pacing-Gefühl über lange Zeit.
  • Selbstvertrauen für Distanzen, die allein viel einschüchternder wirken würden.
  • Ein perfekter Raum, um zu reden – und echte Freundschaften aufzubauen, während du Kilometer sammelst.

Wie viele Tage pro Woche lohnt sich Gruppentraining?

Es gibt keine Einheitsformel, aber als Orientierung:

  • Mit 1 Tag pro Woche merkst du schon einen großen Unterschied – besonders, wenn du die Einheit klug wählst (zum Beispiel Intervalle oder ein langer Lauf).
  • Mit 2 Tagen pro Woche findest du oft ein richtig gutes Gleichgewicht: ein Tag Qualität und ein Tag lockerer Lauf oder langer Lauf in der Gruppe.

Die restlichen Einheiten (falls du mehr machst) kannst du je nach Zeitplan alleine laufen. Die Idee ist nicht, zu 100 % von der Gruppe abhängig zu sein, sondern sie als Anker für Konstanz und Fortschritt zu nutzen.

Typische Fehler beim Training in der Gruppe (und wie du sie vermeidest)

1. Das Ego ans Steuer lassen

Ein sehr häufiger Fehler: Du gehst in eine Gruppe, die deutlich zu schnell ist, „um besser zu werden“ – und bist jedes Mal am Limit, explodierst im zweiten Intervall, trainierst zu hart und sammelst Überlastungen.

Deine ideale Gruppe ist die, in der du gefordert bist, aber nicht zerbrichst. Wenn du in einem Lauf, der locker sein sollte, kein Wort herausbekommst, ist das heute nicht deine Gruppe.

2. Jede Einheit zum Wettkampf machen

Die Gruppe ist nicht dafür da, zu beweisen, wer der Stärkste ist, sondern damit alle besser werden. Wenn jede Session in einem albernen Sprint endet, es ständig um „noch ein paar Sekunden“ geht oder Langsamere abgewertet werden, wird die Stimmung toxisch.

3. Deine Ziele und Grenzen nicht kommunizieren

Wenn niemand weiß, dass du gerade aus einer Verletzung zurückkommst, diese Woche extrem gestresst bist oder in einer Entlastungsphase steckst, ist es leicht, dass dich die Gruppe zu mehr zieht, als gut für dich ist.

Sag es klar: „Heute locker“, „ich teste nur die Beine“, „bergab kann ich nicht drücken“. Eine gute Gruppe versteht das – und unterstützt dich.

Praktische Schlüssel, um das Maximum aus deiner Laufgruppe zu holen

  • Wähle nach Atmosphäre, nicht nur nach Niveau: Lieber eine minimal langsamere, gesunde Gruppe als eine super schnelle mit Dauerspannung.
  • Kombiniere Gruppenläufe mit Sololäufen: Allein schärfst du dein Körpergefühl – in der Gruppe trainierst du Motivation und Qualität.
  • Sei auch außerhalb des Trainings dabei: Frühstück nach dem Long Run, Team-Rennen, Abschlussessen am Saisonende … das macht den Zusammenhalt stark.
  • Respektiere unterschiedliche Levels: Wenn du zu den Schnelleren gehörst, kannst du auch andere mitziehen – nicht nur vorne wegfliegen.

Kurz gesagt

In der Gruppe zu trainieren ist kein nettes Extra – es kann das Fundament sein, das deinen Fortschritt und deine langfristige Motivation trägt. Wenn du noch in keiner Gruppe bist, ist dein nächster Entwicklungsschritt vielleicht nicht „noch mehr Intervalle“ oder „noch eine neue Uhr“, sondern: die richtigen Menschen zu finden, um Kilometer zu teilen.

Denn wenn die Gruppe schiebt, kommst du weiter.